
Männertrauer
Von klein auf lernen wir, wie "man" sich zu verhalten hat. Mädchen dürfen weinen, Jungs sollen stark sein. "Männer weinen nicht" – solche Sätze prägen nach wie vor leider ganze Generationen. Auch wenn heute niemand mehr vorschreibt, wie lange Trauerkleidung getragen wird, wirken kulturelle Muster und familiäre Traditionen unbewusst weiter. Sie bestimmen, wie wir fühlen, was wir zeigen – und was nicht.
Typisch Mann? Zwischen Kontrolle und Rückzug
Das traditionelle Männlichkeitsbild ist noch immer eng mit Kontrolle, Stärke und Leistung verbunden. Daher ja, die Klischees stimmen leider oftmals; viele Männer trauern anders als Frauen:
- oft zurückgezogen oder im Geheimen
- weniger durch Gespräche, mehr durch Tun
- über Sport oder Arbeit, manchmal auch über Alkohol oder andere Fluchten
- mit dem Bedürfnis, wieder schnell "funktionieren" zu können
Manche bauen auch immenses Wissen auf, lesen sich tief in Phasenmodelle ein, um die Trauer zu "bearbeiten". Doch das Unterbewusstsein und die eigentliche Gefühlsarbeit lassen sich nicht so einfach wegorganisieren.
Zwischen Herz und Verstand
Trauer bewegt sich zwischen zwei Polen: dem intuitiven Ausdruck (Gefühle zeigen, weinen, teilen) und dem instrumentellen Zugang (verstehen, einordnen, handeln). Männer tendieren häufiger zu Letzterem, was gar nicht falsch sein muss. Problematisch wird es nur dann, wenn man sich damit isoliert, vereinsamt oder den Schmerz dauerhaft verdrängt. Auch in Beziehungen führt das oft zu Spannungen, wenn die Partnerin oder der Partner ganz andere Ausdrucksformen der Trauer wählen.
Ein sicherer Raum für Männertrauer
Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich kenne diese Spannungsfelder zum einem durch meine eigenen vielfältigen Trauererfahrungen, zum anderen durch meine Ausbildung zum Trauerbegleiter – in der ich der einzige Mann war.
Auch wenn ich grundsätzlich eher nach unterschiedlichen Trauertypen (bspw. "Stilles Wasser", "Herz auf der Zunge") unterscheide und nicht so sehr nach Geschlechtern, sind mir die Mann-Frau-Unterschiede im Trauerprozess und in der Trauerbegleitung also vertraut, sodass ich gezielt auch Männer-spezifisch vorgehen kann. Dabei entscheiden wir gemeinsam, ob wir bspw.
- ein oft vorkommendes männliches Trauergefühl wie Wut eher sportlich angehen
- ganz sachlich über Mechanismen von Trauer sprechen
- oder schlicht Tränen zulassen, wenn sie kommen
- oder auch ob eine Männer-Trauergruppe einen Stuhlkreis braucht oder eher einen Schreiner-Workshop, bei dem wir gemeinsamen einen Sarg bauen. Denn auch das kann heilsam sein!
Väter von Sternenkindern – zwischen Stärke und eigenem Schmerz
Nach dem Verlust eines Sternenkindes stehen Väter vor der Herausforderung, ihrer Partnerin Halt geben zu
wollen und gleichzeitig ihren eigenen Schmerz nicht zu verdrängen. Einerseits wollen sie ihre Partnerin stützen, andererseits
tragen sie selbst eine tiefe, oft unausgesprochene Trauer. Das Erleben, der "Starke sein zu
müssen", erschwert es, über die eigene Trauer zu sprechen oder sich
Hilfe zu suchen. Doch auch Väter haben ein Recht auf ihren Schmerz
und brauchen Ausdrucksformen, die zu ihnen passen. Moderne
Trauerforschung zeigt, dass gerade das offene Benennen und Gestalten
dieser Trauer entscheidend ist, um nicht in Isolation oder Überforderung
zu geraten, sondern Schritt für Schritt Wege zu finden, mit dem Verlust
zu leben.
Trauerbegleitung, die zu dir passt
Männertrauer ist genau wie Trauer bei Frauen vielfältig. Manchmal braucht es Worte, manchmal Bewegung, manchmal einfach nur einen Raum, in dem man sein darf. Entscheidend ist: Hier musst du dich nicht verstellen. Ob rational, emotional, leise oder laut: Alles ist erlaubt. Gemeinsam finden wir den Weg, der für dich hilfreich ist.
